Die Entstehungsgeschichte von Jim Knopf
Michael Ende hatte sein erstes Buch zu schreiben begonnen, weil ihn ein früherer Mitschüler gebeten hatte, ihm doch einen kurzen Text für ein Bilderbuch zu erstellen. Michael Ende setzte sich an seinen Schreibtisch und schrieb ohne jeden Plan einen einzigen Satz – jenen berühmten ersten Satz aus Jim Knopf, den wir alle kennen:
„Das Land, in dem Lukas, der Lokomotivführer lebte, war nur sehr klein.“
Von diesem ließ er sich zum nächsten Satz treiben, von einem Einfall zu einem weiteren, ohne sich je zu fragen, was auf der nächsten Seite, im nächsten Kapitel oder gar am Ende geschehen sollte. Er überließ der Geschichte die Führung, und es war seine eigene Neugier, die ihn Tag für Tag an den Schreibtisch trieb. Über die Begrenzung für einen Bilderbuchtext wucherte das Manuskript rasch hinaus und besaß, als es fertig war, stolze fünfhundert Seiten.
„So entdeckte ich das Schreiben als Abenteuer“, erzählte Michael Ende.
Vielleicht hört er ja gerade deshalb nicht auf, uns zu überraschen – weil er den Mut hatte, sich selbst zu überraschen. Das Paket, das auf der Insel Lummerland eintrifft, packen wir bis heute mit Staunen aus, weil auch der, der es für uns einpackte, sein Autor Michael Ende, beim Öffnen staunte. Statt sich mit gerecktem Zeigefinger vor uns aufzubauen, stellt er sich voller Aufregung uns zur Seite, wenn wir den Deckel aufklappen, denn er weiß genauso wenig wie wir, was sich dahinter verbirgt.
„Am Ende dieser Geschichte waren wir alle ein bisschen bessere Menschen.“ So schrieb ein Kritiker der Welt im August 1960, als Michael Endes Roman Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer erstmals erschien. Bis heute teilen viele von uns, die in die Geschichte zum ersten, zweiten oder mit ihren Enkeln zum dritten Mal eintauchen, dieselbe Empfindung: Wir haben etwas erlebt, das wir nicht erwartet haben, wir sind über die Landesgrenzen unserer engen Inselwelt hinausgeführt worden und fühlen uns ein bisschen besser, ein bisschen freier, ein bisschen klüger, ohne dass jemand uns belehrt hätte. Jim Knopf gewann den Deutschen Jugendbuchpreis, wurde in über dreißig Sprachen übersetzt und sollte sich in mehr als fünfzig Jahren millionenfach verkaufen.