Neue Bücher, weitere Preise

Die Arbeit geht weiter. Am 23. September 1982 wird im Rheinischen Marionettentheater Zangerle unter der Regie von Anton Bachleitner Die Ballade von Norbert Nackendick oder Das nackte Nashorn uraufgeführt. Vertont wurde das mittlerweile über 500 Mal aufgeführte Stück von Wilfried Hiller. Mit Michael Ende als Moritatensänger wird es zudem bei der Deutschen Grammophon junior veröffentlicht und erhält 1994 den Preis der Deutschen Schallplattenkritik. Im K.Thienemanns Verlag erscheint das gleichnamige Bilderbuch.
1983 erscheint das Buch Der Spiegel im Spiegel. Ein Labyrinth, das Michael Ende seinem Vater Edgar Ende widmet. Die Erzählungen darin sind nach dem gleichen künstlerischen Prinzip gestaltet, nach dem Edgar Ende seine Gemälde schuf. Ihnen liegt eine neue Art von Dramaturgie zugrunde, die evident und stimmig ist, ohne der gewohnten Kausallogik zu entsprechen. Die Erzählungen von Der Spiegel im Spiegel sind alle miteinander verknüpft und verweisen aufeinander. Obwohl die einzelnen Bilder konkret sind, stellen sie ein kunstvolles Gewebe dar, das nach allen Seiten offen und vieldeutig ist und nicht auf einen Punkt gebracht werden kann.

Wie die Bilder seines Vaters stellen auch diese Erzählungen des Sohnes Rätsel dar, die keine allgemeingültige Erklärung besitzen. Sie bedürfen vielmehr des Betrachters oder Lesers, der durch seine individuelle Weltsicht in diesen geheimnisvollen Bildern eine ureigene, nur für ihn gültige Bedeutung erkenne. Diese besondere Art von "negativer Dramaturgie", wie Michael Ende sie manchmal nennt, liegt in der Kunst des Aussparens: Als Beispiel hierfür führt er die griechischen Tempel an, deren künstlerische Wirkung nicht durch die Säulen zustande käme, sondern durch ihre Zwischenräume. Gerne beruft er sich dabei auch auf Laotse: "Aus Ton macht man Krüge, aber das Leere zwischen dem gebrannten Ton macht das Wesen des Kruges aus."

Neue Auszeichnungen in diesem Jahr: Michael Ende erhält für Die unendliche Geschichte den Silbernen Griffel von Rotterdam. Die unendliche Geschichte wird vom spanischen Ministerium für Kultur zum Kinderbuch des Jahres gewählt. Im S.Fischer Verlag gibt Michael Ende das Taschenbuch Michael Ende. Mein Lesebuch heraus, in dem er Texte versammelt, die für sein Leben wie auch für seine künstlerische Entwicklung von Bedeutung sind.
Am 14. Juni 1984 wird in der Hochschule für Musik München der Trödelmarkt der Träume uraufgeführt. Die Musik stammt von Wilfried Hiller. Die szenischen Miniaturen "für einen Mund und sechs Hände" sind inzwischen über 100 Mal in verschiedenen Städten Deutschlands aufgeführt worden. Die "bairische Mär" Der Goggolori erscheint. Das Buch enthält sowohl den in bayerischer Mundart verfassten Originaltext wie auch eine Übersetzung in deutscher Hochsprache.

Michael Ende lernt den Maler Friedrich Hechelmann kennen. Die beiden verstehen sich sehr gut, und beschließen bei ihrer zweiten Begegnung in der Villa Liocorno, gemeinsam ein Bilderbuch zu verwirklichen, das sich sowohl an junge wie auch an erwachsene Leser richtet. Michael Ende hat einen Stoff im Kopf, dem er den Titel Ophelias Schattentheater gibt. Eindrucksvoll vermittelt Michael Ende in dieser Erzählung sein Kunstverständnis: Alle Kunst erzählt von den Geschicken der Menschen "in der Sprache der großen Dichter, die auch die Engel verstehen und die daraus lernen, wie elend und großartig, wie traurig und wie komisch es ist, Mensch zu sein und auf Erden zu wohnen." Drei Jahre später findet auf Friedrich Hechelmanns Schiedelhof im Allgäu schließlich in Anwesenheit der beiden Künstler die Premiere ihres gemeinsamen Bilderbuches statt.