Der berühmte erste Satz, der einen ganzen Roman nach sich zieht

 
Mit Jim Knopf begann für Michael Ende das "Abenteuer" Schreiben.
Für das 500 Seiten starke Manuskript von Michael Endes Jim Knopf findet sich anderthalb Jahre lang kein Verleger.

Michael Ende hat oft erzählt, wie sein erster Roman Jim Knopf entstanden ist: "Ich setzte mich also an meine Schreibmaschine und schrieb: Das Land, in dem Lukas der Lokomotivführer lebte, war nur sehr klein. Das war der erste Satz, und ich hatte nicht die geringste Vorstellung, wie der zweite heißen würde. Ich hatte keinerlei Plan zu einer Geschichte und keine Idee. Ich ließ mich einfach ganz absichtslos von einem Satz zum anderen, von einem Einfall zum nächsten führen. So entdeckte ich das Schreiben als ein Abenteuer. Die Geschichte wuchs und wuchs, immer mehr Gestalten stellten sich ein, Handlungsfäden begannen zu meinem eigenen Erstaunen sich durcheinander zu weben. Das Manuskript wurde dicker und dicker und war längst über den Umfang eines kleinen Bilderbuchtextes hinausgewachsen. Und als ich endlich, etwa zehn Monate später, den letzten Satz schrieb, lag ein dickes Manuskript vor mir."
Michael Ende behauptete immer, dass ihm nur etwas einfalle, wenn sich aus der Erzählung selbst die Notwendigkeit ergebe, etwas zu erfinden. Manchmal muss er während des Schreibens lange darauf warten, bis sich ein solcher Einfall einstellt.

Beinahe gibt er Jim Knopf auf, als er mit dem Handlungsverlauf stecken bleibt: Als Jim und Lukas in ihrer Lokomotive in der Region der schwarzen Felsen nicht mehr weiterkönnen, will Michael Ende das Abenteuer nicht einfach streichen und anders fortfahren, denn das hätte er als unehrlich empfunden. Er ist schon bereit, das Buch abzubrechen, als er nach drei Wochen plötzlich die rettende Idee hat: Der Dampf, der aus dem Schornstein der Lokomotive aufsteigt, wird zu Schnee und bedeckt die Schwarzen Felsen. "Schriftstellerei ist - bei mir jedenfalls - in erster Linie eine Geduldsarbeit."
Nach einem knappen Jahr ist ein 500 Seiten umfassendes Manuskript entstanden.

In den nächsten anderthalb Jahren schickt er das Manuskript zu mehr als zehn Verlagen, und jeder schickt es mit dem Vermerk zurück: "Passt leider nicht in unser Verlagsprogramm" oder "Kinder lesen keine so dicken Bücher". Auch Erich Kästner, den Michael Ende in einem Brief um Unterstützung bittet, antwortet nicht. Michael Ende verliert die Hoffnung und will das Manuskript in den Papierkorb werfen. Als Ingeborg Hoffmann davon erfährt, beendet sie prompt die dreimonatige Trennungszeit, die die beiden wieder einmal zur Probe ihrer Beziehung vereinbart hatten, macht Michael Ende neuen Mut und übernimmt kurzentschlossen die Initiative. Sammy Drechsel, der Chef des Kabaretts Die Namenlosen, empfiehlt, sich an den K.Thienemanns Verlag in Stuttgart zu wenden, einem kleinen Familienbetrieb, bei dem er selbst mit seinem Buch Elf Freunde müsst ihr sein gute Erfahrungen gemacht hatte. Michael Endes Manuskript gelangt so in die Hände von Lotte Weitbrecht, der damaligen Leiterin des Verlages, die die Geschichte mag und annimmt. Einzige Bedingung: Das dicke Manuskript muss so umgearbeitet werden, damit es in zwei Bände aufgeteilt werden kann.
Übrigens: Michael Ende ist dem Graphiker, der ihn künstlerisch auf sein eigentliches Gleis gesetzt hat, nie mehr begegnet. Selbst dessen Namen erinnert er nicht mehr.