Der Tod Ingeborg Hoffmanns

Mitten in dieser Zeit der Anerkennung und des Zuspruchs reißt ein folgenschwerer Schicksalsschlag Michael Ende unvorbereitet aus dem Gleichgewicht: Am 27. März 1985 stirbt seine Frau Ingeborg Hoffmann an einer Lungenembolie. Es hat ihr regelrecht den Atem verschlagen: Nur wenige Tage zuvor hat sie mit zwei Nachbarinnen im Kino von Genzano die Verfilmung der Unendlichen Geschichte angeschaut, gegen die sie sich mit aller Kraft gesträubt hatte. Nach Hause zurückgekehrt, legt sie sich ins Bett und steht bis zu ihrem Tod nicht mehr auf. Rom und das Haus in Genzano waren ihre Heimat geworden. Sie liebte die italienische Lebensart, hatte sogar ihren Beruf als Schauspielerin dafür an den Nagel gehängt. "Wenn ich dieses Haus verlasse, dann muss man mich hinaustragen - mit den Füßen voraus", hatte sie immer wieder gesagt. Ingeborg Hoffmann wird begraben auf dem katholischen Friedhof in Rom, nahe der Pyramide, wo auch die Gräber von Hans Christian Andersen und von Goethes Sohn sind.

Michael Ende erschüttert der Tod seiner Frau zutiefst. Mit ihr verliert er nicht nur die Lebensgefährtin, sondern seine wichtigste Gesprächspartnerin in allen künstlerischen Fragen. Unerbittlich, auch gegen sich selbst, hatte sie sich immer kompromisslos für das Wahre eingesetzt. Für die Todesanzeige wählt Michael Ende folgende Zeilen von Uriel Birnbaum:

 

Das ist's, was man an einem Menschen Größe nennt:
Dass er ein Licht ist, das sich ungedankt verbrennt -
Ein Licht, das sich nicht sehen kann und sich nichts nützt -
Ein Licht, das immer wahr und falsch untrüglich trennt.

 

Luise Rinser, nahe Freundin von Ingeborg Hoffmann, schreibt in ihrem Tagebuch Im Dunkeln singen: "Hätte ich am Grab bei der Beerdigung ein Wort herausgebracht, ich hätte einen einzigen Satz gesagt: Sie war der nobelste Mensch, den ich je kannte."

Nach dem Tod seiner Frau will Michael Ende nicht länger in der Casa Liocorno in Genzano di Roma bleiben und beschließt, mit der Vergangenheit zu brechen. Er löst nach 14 Jahren seinen Haushalt auf und zieht Anfang Juni nach München. Hier hat ihm sein Onkel Helmuth Ende eine kleine Wohnung im Arabella-Park vermittelt.
Noch in Genzano di Roma führt Jörg Krichbaum nur wenige Wochen nach dem Tod von Ingeborg Hoffmann ein umfangreiches Gespräch mit Michael Ende über dessen Vater und seine Kunst, das sich über mehrere Tage erstreckt. Es dient der Vorbereitung der großen retrospektiven Ausstellung, die über Edgar Ende und sein künstlerisches Werk in den nächsten Jahren geplant ist. Das Gespräch wird so aufschlussreich und intensiv, dass Michael Endes Verleger beschließt, es als Buch mit dem Titel Archäologie der Dunkelheit. Gespräche über Kunst und Edgar Ende zu veröffentlichen.