Erste schriftstellerische Versuche
Als Michael Ende 1946 nach Stuttgart in die Waldorf-Schule kommt, ist er eigentlich aus dem Schulalter längst herausgewachsen: Er lernt hier die expressionistische und dadaistische Dichtung kennen, an der er sich schult. Er liest Theodor Däubler, Ivan Goll, Elke Lasker-Schüler und Alfred Mombert, vor allem aber die Gedichte von Rainer Maria Rilke, Stefan George und Georg Trakl beschäftigen ihn sehr. Aus den ersten beiden Jahren nach dem Krieg, vor allem aus seiner Zeit in Stuttgart, stammen seine ersten Versuche als Schauspieler, die er gemeinsam mit Freunden im damaligen Amerika-Haus unternimmt. Unter anderem führt er Tschechows Einakter Der Bär, in dem er die Hauptrolle spielt, und Jean Cocteaus Orphée auf, das damit seine Deutschland-Premiere feiert. An einem dieser Abende lernt er auch den Maler Willi Baumeister kennen.
Die Nachkriegszeit ist in Deutschland geprägt durch eine überaus lebendige Theaterwelt. Die Menschen drängt es in ihrem Hunger nach Leben in die Theaterhäuser, man interessiert sich wieder für neue Wirklichkeiten, setzt sich mit neuen Ideen auseinander. Der Theaterbetrieb erlebt in diesen Jahren einen kräftigen Aufschwung. Aus dieser Zeit stammt auch Michael Endes Erstlingswerk, das den Titel "Denn die Stunde drängt" trägt und Hiroshima gewidmet ist. Es ist niemals aufgeführt worden.
Seine frühen Theaterstücke beschreibt er nachträglich als "allzu pathetisch [...] und schrecklich gedankenbeladen." 1947 wird zum allerersten Mal ein Text von Michael Ende veröffentlicht: Die Esslinger Zeitung druckt auf Vermittlung seines Freundes Peter Boccarius das Sonett Der Gaukler ab. 1948 kauft er sich für die 40 Mark, die er durch die Währungsreform erhalten hat, die lang ersehnte Gitarre, die er zu spielen lernt, um sich bei eigenen Gedichten und Chansons begleiten zu können.
Seit 1943 verfasst Michael Ende Gedichte und kleine Erzählungen. Sein Wunsch aber ist es, für das Theater zu schreiben. Da ein Universitäts-studium aus finanziellen Gründen ausgeschlossen ist, entscheidet er sich für die praktische Laufbahn. 1948 besteht er die Aufnahmeprüfung an der Schauspielschule Otto Falckenberg der Münchner Kammerspiele. Die Tatsache, dass Michael Ende während der Aufnahmeprüfung erklärt, er wolle die Schule besuchen, nicht um Schauspieler zu werden, sondern um bessere Theaterstücke zu schreiben, beeindruckt offenbar die Lehrer. Er wird aufgenommen und erhält ein zweijähriges Stipendium. Während seiner Schauspielzeit studiert er sämtliche Theorien der modernen und klassischen Theaterkunst, deren er habhaft werden kann.