Hamburger Bombennacht und das erste Gedicht

 
Michael Ende in den 1940er Jahren
"Ein Lebenszeichen" von Luise Ende, mit der Mitteilung, dass die Wohnung in der Kaulbachstraße abgebrannt sei.

Mit dem Krieg und seinen Schrecken endet die Kindheit von Michael Ende: Als Zwölfjähriger erlebt er den ersten Bombenangriff auf München: "Unsere Straße stand völlig in Flammen. Das Geräusch, das dabei entstand, war kein Prasseln, es war eine Art Heulen. Das Feuer heulte. Ich erinnere mich, ich bin wie ein Betrunkener durch die brennende Straße gelaufen und habe gesungen. Es war eine Euphorie, die mich erfasste. Ich kann mir das bis heute nicht ganz erklären. Es fehlte nicht viel, und ich wäre in das Feuer hineingesprungen wie eine Mücke, die ins Licht fliegt." Als schrecklich erlebt er den Bombenangriff auf Hamburg 1943, wo er bei seinem Onkel zu Besuch ist. "Das war wirklich der Weltuntergang. Das kehrt immer wieder in meinen Träumen, wie wir die geschmorten Leichen, die auf Babygröße eingeschnurrt waren, geborgen haben. Ich sehe noch heute den Heerzug verstörter Menschen vor mir, die wie in einem Labyrinth durch die Ruinen irrten. Einer trug völlig sinnlos einen Tisch auf dem Rücken, wahrscheinlich das einzige, was er retten konnte."

Während Hamburg vom 24. bis 30. Juli in Schutt und Asche gelegt wird, sitzt Michael mitten in diesem Inferno. Sein Onkel, der Bruder des Vaters, setzt ihn sobald wie möglich in einen Zug nach München. Dort schreibt der Junge erschüttert sein erstes Gedicht. Die Münchner Schulen werden 1943 wegen der zunehmenden Luftangriffe evakuiert. Michael Ende kommt mit der so genannten Kinderlandverschickung an seinen Geburtsort, erst ins Haus Kramerhof, später ins Haus Roseneck. Hier wird Michael Endes Interesse für Lyrik geweckt. Er schreibt selbst viele Gedichte und setzt sich mit den unterschiedlichen Stilarten von Lyrik auseinander, soweit sie ihm zugänglich ist. Große Teile der modernen Lyrik sind in jenen Zeiten verboten und bleiben ihm zunächst verschlossen. Er lernt die Gedichte von Novalis kennen, die Hymnen an die Nacht, die ihn stark beeinflussen.

Als 1944 das Atelier des Vaters in der Münchner Kaulbachstraße 90 abbrennt, werden über 250 Gemälde und Zeichnungen, die gesamte Druckgraphik und Radiervorlagen von Edgar Ende zerstört. Einige Gemälde hatte der Generaldirektor der Bayerischen Staatssammlungen Buchner verwahren und so retten können. Die Mutter wird in eine Wohnung in Solln umgesiedelt. Kurz nach Ende des Krieges kehrt der Vater aus der amerikanischen Kriegsgefangenschaft zurück.